Revisionistischer Funktionalismus mit höchsten jüdischen Weihen
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Yehuda Bauer, Freikauf von Juden?, Jüdischer Verlag, Frankfurt/Main 1996, 464 S., DM 56,-
War der Judenmord der Nationalsozialisten von diesen von Anfang an geplant (Intentionalismus), oder trat er mehr zufällig als Ergebnis einer Radikalisierung der NS-Politik im Laufe des Weltkriegs ein (Funktionalismus)? Diese Frage hatte seit Ende der siebziger Jahren die Gemüter der Historiker erhitzt. Nun dürfte sie entschieden sei, da sich jetzt auch Yehuda Bauer, Professor für Holocaustforschung an die Hebräischen Universität in Jerusalem, im wesentlichen auf die Seite des Funktionalismus geschlagen hat. Aufgrund seiner jüdischen Abstammung, seiner israelischen Staatsangehörigkeit, seiner Ausbildung als Historiker, seines Lehrstuhls an der angesehensten israelischen Universität und seiner weitreichenden Reputation in Sachen Holocaust wird doch wohl niemand mehr wagen, gegen diese Autorität aufzumucken?
Der hier besprochene Band dient laut Bauer u.a. dazu, eine Rechtfertigung dafür zu finden, warum Juden überhaupt mit den Nationalsozialisten verhandelten. Daneben soll er beweisen, daß die Juden weltweit nicht tatenlos zusahen, wie ihre Brüder in Europa hingeschlachtet wurden. Dies alles zu beschreiben versteht Bauer als eine künstlerische Aufgabe, denn über sein eigenes Metier vertritt er recht eigenartige, aber vielsagende Ansichten: »und die Geschichtsschreibung ist wohl kaum eine Wissenschaft« (S. 13) So wie er sie betreibt vielleicht nicht…
Die vielfachen Feststellungen Bauers, daß die Nationalsozialisten zumindest bis Mitte des Jahres 1941 keine gezielte Vernichtungsintention den Juden gegenüber hegten, sondern deren Ausreise anvisierten, erklärt Bauer mit einem Kunstgriff: Er behauptet schlicht, daß es den Nationalsozialisten habe egal sein können, wenn einige Millionen Juden aus ihrem Machtbereich entkämen, da man ohnehin bald die ganze Welt beherrschen werde, so daß man dann immer noch weltweit mit den Juden abrechnen könne. (S. 11, 73) Dieses künsterlische, jedem wissenschaftlichen Beweis entbehrende Klischee von dem die Weltherrschaft anstrebenden Nationalsozialismus erlaubt es ihm, einen Brückenschlag zwischen Intentionalismus und Funktionalismus bauen zu können, wobei nicht klar ist, ob er den Intentionalisten unter seinen Kollegen diese Brücke baut, oder ob er selbst diesen geistigen Halt für sein schwankendes Weltbild benötigt.
Es sind vor allem die kleinen, fast versteckten Details, die das Buch interessant machen. Wie nebenbei erklärt er zum Beispiel, das Dritte Reich sei bis 1935 ohne militärische Rüstungsprogramme wirtschaftlich gesundet, was den deutschen Volkspädagogen überhaupt nicht in den Kram passen dürfte (S. 26f.). Zu den Wirtschaftsdaten der ersten Jahre des Dritten Reiches stellt er fest: »Das Ergebnis […] ist beeindruckend«. Eine ähnliche Feststellung hätte einem Jörg Haider, der Hitlers Arbeitsmarktpolitik vernünftig genannt hatte, beinahe den Kopf gekostet.
Die immer wieder zitierte Passage aus Hitlers Rede vom 30.1.1939, in der er bei Ausbruch eines weiteren Krieges der jüdischen Rasse in Europa die Vernichtung prophezeit, ist nach Bauers Meinung völlig aus dem Zusammenhang der Rede gerissen und werde daher fälschlich als Beweis einer damals schon vorhandenen Vernichtungsintention interpretiert. Diese Rede befasse sich tatsächlich über weite Passagen mit einer zivilisierten und geregelten Auswanderung bzw. Umsiedlung der Juden aus Deutschland (61f.). Als Beweis gegen die Vernichtungsintention führt er auch jenes oft von Revisionisten angeführte Dokument vom Mai 1940 an, in dem Himmler »die bolschewistische Methode der physischen Ausrottung eines Volkes […] als ungermanisch […]« ablehnt und Adolf Hitler dies mit einem »Sehr richtig« kommentiert hat (S. 95).
Sehr kritisch befaßt sich Bauer auch mit Felix Kersten, einem engen Vertrauten Himmlers. Bauer hält ihn für einen Egozentriker, der später aus diesem Kapitel seines Lebens habe Kapital schlagen wollen (S. 167). Die Tagebuchnotizen Kerstens mit Hinweisen auf eine Vernichtung der Juden hält Bauer für sehr fragwürdig, da diese Eintragungen bereits im Dezember 1940 einsetzen, als es nachweislich noch keine Ausrottungsintention gab. (S. 425)
Bauers Berichte über die entscheidende Zeit zwischen Mitte 1941 und Ende 1944 weisen eine Vielzahl von Beispielen auf, die zumindest einer unabänderlichen und stur festgelegten Vernichtungsintention den Juden gegenüber widersprechen: Verhandlungsversuche von NS-Größen mit jüdischen oder alliierten Vertretern zum Auslösen von Juden und die Überstellung von Juden zu Arbeitszwecken werden von ihm en masse zitiert.
Nur auf eines geht Bauer in seinem Buch praktisch nicht ein: auf die Vernichtung selbst. Er verweist diesbezüglich nur auf einige altbekannte Standardwerke seiner Künstlerkollegen (S. 414).
Angesichts eines zusehends dem Revisionismus zugeneigten Korrespondenzpartners ließ sich Yehuda Bauer einst zu starken Worten hinreißen: »Mit […] Revisionisten lasse ich mich prinzipiell in keine Diskussionen ein!« Nach der Lektüre des hier besprochenen Buches wird man also davon ausgehen dürfen, daß der göttlichste aller Holocaust-Päpste selbst im Geiste keine Selbstdiskussionen mehr führt.
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Author(s): | Ernst Gauss |
Title: | Revisionistischer Funktionalismus mit höchsten jüdischen Weihen, Bücherschau |
Sources: | Vierteljahreshefte für freie Geschichtsforschung 1(1) (1997), pp. 45f. |
Contributions: |
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Published: | 1997-04-01 |
First posted on CODOH: | Jan. 27, 2016, 4:01 p.m. |
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